Béatrice Stössel, 01.12.2023
Das Aussenthermometer zeigt Minusgrade an. Ohne Brille nicht genau erkennbar, wie viele unter dem Null-Strich liegen, doch sicher um die 5-6 Grad. «Dazu weht eine zügige Bise», so die Aussage des Wetterfroschs, «was die gefühlte Kälte verstärken wird und auf Minus 9-10 Grad fallen lässt.» Das kann ja heiter werden.
Also schlüpfe ich rein in die dickste Strumpfhose, den uralten Kaschmirpulli, der aber immer noch ausgezeichnet wärmt. Die voluminöse Steppjacke, Reithosen und darüber die unerlässliche Thermohose. Auch die gefütterten Winter-Reitstiefel müssen sein. Nachdem ich mich warm angezogen habe, gerüstet gegen die Kälte und andere Überraschungen, geht es ab in den Stall.
Ein paar Pferde strecken zur Begrüssung ihre Köpfe aus den Stallfenstern und dampfen den warmen Atem aus ihren Nüstern. Die anderen promenieren gelassen auf dem Vorplatz ihrer Boxen herum. Ihnen scheint die Kälte nichts auszumachen. Wieso auch, sie tragen Pelz. Durch das Aufstellen der Haare sorgen sie selbst für ein isolierendes Luftpolster. So genial ist die Natur.
Mein Hengst ist in einer Innen Box, doch Pferdeställe werden nicht beheizt. Deshalb heisst es jetzt mit klammen Fingern Pferd striegeln. Sattel und Zaumzeug montieren und ab nach draussen.
Wir reiten zu zweit aus. Nebst unserem Geplauder hört man zwischendurch vor Kälte unsere Zähne klappern. Der Boden ist steinbein gefroren. Da liegt weder wärmender Trab noch eine Runde Galopp drin. Wir sind Tierfreunde, schonen deswegen die delikaten Pferdegelenke und bewegen uns ausschliesslich im Schritt. Für uns heisst das: Mehr oder minder bewegungslos zwei Stunden im Sattel sitzen. Nach dem Ritt widmen wir uns wieder der Pferdepflege, bis wir endlich zurück in die warme Stube kommen.
Den Entschluss für ein heisses Bad, fasste ich bereits auf dem Heimweg. Also rauscht das Wasser in die Wanne. Irgendwo finde ich noch einen Rest Badezusatz mit Rosenduft und den leicht rosafarbenen Blütenblättern dazu. Schaumwölkchen bilden sich und ich will gerade einsteigen, als mir ein fürchterliches Schreckensszenario durch den Kopf schiesst: Was ist, wenn ich beim Einstieg ausrutsche? Erst schwappt alles über, und das Badezimmer steht unter Wasser. Vielleicht schlage ich mit voller Wucht den Kopf an die Armaturen und das ausgetretene Blut umschliesst die Blätter und färbt sie unangenehm Rot. Also lasse ich die Hälfte des warmen Nass wieder ab. Sicher ist sicher. In der Zwischenzeit drehe ich das Radio an. Wie passend, der Schluss des ersten Aktes vom «Der Rosenkavalier» von Strauss. Ich hole ein Buch, zünde ein paar Kerzen an, und gönne mir ein Glas Prosecco. Im warmen Bad vermag es schon etwas Kühles zur Erfrischung sein. Langsam gleite ich hinein. Herrlich umschlungen vom warmen Nass. Um vollständig bedeckt zu sein, lasse ich wieder Wasser ein und fühle mich wie eine Königin. Meine durchgefrorenen Glieder erwachen langsam wieder zu Leben. Ich nehme das Buch vom Tischchen neben mir und will lesen. Der heisse Dampf beschlägt meine Brille. Also keine Lektüre. Ich geniesse den zweiten Akt der Oper und versuche meine Gedanken schweifen zu lassen. Das dürfte nicht so schwierig sein, sie schweifen, hüpfen, tanzen, springen ..., irgendwie scheint das Liegen im Schaum nicht so meins. Entschlossen greife ich zu Bürste und Seife, schrubbe mich ab und aktiviere so meine Durchblutung. Ich will aussteigen, finde keinen Halt. Laut sage ich: «Wie jetzt! Du wirst doch aus dieser Wanne kommen!» Aber wie, frage ich mich ernsthaft. Ich muss gestehen, normalerweise dusche ich in der Keramik und komme nicht in die Bredouille, dass ich vom Wannenboden aufstehen muss. Es muss eine Lösung her. Allenfalls hilft Wasser ablassen, sonst läuft wirklich alles über. Falsch gedacht. Die Physik ist ausgehebelt. Ich kann mich nicht hochstemmen. Der «Auftrieb», den man im Wasser erfährt, ist ohne Wasser weg. «Mädchen du wirst alt», brumme ich mürrisch. Ohne die wärmende nasse Hülle wird es schlagartig wieder kalt und das nicht nur um meinen Bauch.
Erneut eine Idee, vielleicht die rettende. Man stelle sich einen Wal an Land vor. In der wasserfreien Wanne versuche ich mich als erstes auf den Bauch zu drehen. Erfolgreich geschafft! Danach wechsle ich, eher schwerfällig, in den Vierfüssler Stand, richte den Oberkörper auf, und halte das Gewicht auf meinen Knien. Als getaufte Katholikin weiss ich sehr gut, wie das geht. Das erste Bein aufstellen und direkt versuchen es gestreckt zu kriegen – eins-zwei- Hauruck! Endlich stehe ich aufrecht in der Badewanne und klettere über den Rand. Etwas zittrig zu Beginn, freue mich aber wie eine Schneekönigin, dass schlussendlich kein Blut geflossen ist. Das, so sage ich mir, kann nicht die Zukunft sein, dass ich «mitten im kalten Winter» nur noch so kompliziert baden kann. Besser wird’s nicht mehr.
Nachdem ich mir den kuschligen Heimdress übergezogen, das Cheminée eingefeuert habe, schreibe ich dem Christkind meinen Wunschzettel.
Liebes Christkind
Lange
Zeit ist es her, dass ich mich an Dich gewandt habe, um einen Wunsch zu
formulieren. Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir gemeinsam ins Geschäft
kommen sollten. Mir ist bewusst, Deine Tage sind knapp und die Wünsche der
Menschen werden nicht weniger. Doch nach dem heutigen Tag bin ich überzeugt,
dass ich an der Reihe wäre, dass Du Dir meinen Wunsch zumindest anhören
könntest.
Mir geht es wirklich wunderbar und ich feiere jeden Tag. Ich bin gesund und
munter, bin für viele Aktivitäten unterwegs.
Weil das mit dem Pferd schon von selbst geklappt hat….!
Ich wünsche mir nur eine begehbare Dusche. Kannst du das organisieren?
Dankbare Grüsse im Voraus ...