Béatrice Stössel: Der Mann der Jäger – die Frau die Bewahrerin?

Béatrice Stössel, 25.09.2023

Béatrice Stössel
Béatrice Stössel

SCHAULAUFEN: Sie wissen wovon ich spreche? Diese Eislaufspektakel, welche nach absolvierten Wettkämpfen, bei Landes-, Europa- oder gar Weltmeisterschaften stattfinden. Mir sind diese Spektakel die liebsten, weil die Sportler jetzt entspannt ihr Können zeigen. Der Wettbewerbsdruck ist Geschichte. Es bleibt die pure Lust am „Schaulaufen“. Das Lächeln ist echt, die Freude am Sport spürbar und einfach nur schön. Da läuft die Kreativität mit, das Showtalent wird sichtbar. Jetzt flitzt der Komiker übers Eis und kombiniert lustige Sprünge locker mit einem Dreifach-Axel. Die zierliche Läuferin, welche ihr langes Haar jetzt offen trägt und es um ihren schlanken Körper schmiegen lässt, so dass man das Gefühl bekommt eine Elfe gleite übers Eis. Der starke Mann, der seine Tanzpartnerin ewig lange und in schwindelnder Höhe, in eleganter Arabesque über seiner Schulter schweben lässt. Herrlich!

Schaulaufen ist aber keine Wintersportsache mehr. Oh nein! Schaulaufen hat sich zum Sommersport gemausert. Zwar werden weder schnelle Pirouetten gedreht à la Stephan Lambiel, noch doppelte und dreifache Rittberger gesprungen. Das Sommerschaulaufen findet heute in Gartenrestaurants und In-Places in den Städten statt. Was man da nicht alles zu sehen bekommt.

Die Männer sind in der Minderzahl, belegen jedoch strategisch die besten Plätze, um das Defilee der aufkreuzenden und aufreizend gekleideten Damen zu begutachten. Sie lassen sich vom Kellner die Zigarre anzünden. Fachmännisch mit Holzspan und nicht etwa mit Zündholz oder gar Gasfeuerzeug, versteht sich. Und erst, wenn die erste Glut sich durch den Tabak frisst, nimmt „der Mann von Welt“ sie entgegen. Selbstverständlich steht ein Glas feinsten Whiskys auf dem Tisch und die Zigarre wird ab und an eingetaucht. Zwar vernebeln die Rauchschwaden gelegentlich den Ausblick, doch es schaut sehr weltmännisch aus.

Das Arrivée der Damen.... Nein, Damen sind es (noch) nicht, wie auch, mit ihren knapp über zwanzig, höchstens dreissig Lenzen auf den Schultern. Diese Schultern sind unbedeckt, höchstens ein ultraschmaler Spaghettiträger hält das luftige Sommerkleidchen fest. Darunter zeichnet sich der feste Busen ab und lässt erahnen, was es Handgreifliches zu ertasten gäbe, so man es bis zum doppelten oder dreifachen Rittberger - im übertragenen Sinn - schafft als Mann. Die Roben sind kurz oder kürzer und offerieren freien Blick auf schlanke, braungebrannte Beine. Diese wirken noch länger als sie ohnehin schon sind, weil die mindestens zwölf Zentimeter hohen Absätze an den Schuhen den Eindruck vermitteln, dass sie endlos sind. Das Gehen in diesen Schuhen allerdings ist nicht jederfraus Sache. Da gäbe es oft Nachholbedarf im korrekten Schreiten. Es werden übrigens Kurse für: „Gehen in Highheels“ angeboten. Wo? Natürlich in St. Moritz! Aber eben, nicht jede Frau beherrscht elegantes Gehen auf schwindelerregender Absatzhöhe! Doch sie macht es wett mit der Gestik, indem sie durchs lange, glänzende Haar fährt. Und das tut sie ununterbrochen und zwar ab dem Moment, wo sie eine sichere Sitzfläche unter dem Allerwertesten hat, weil sie sich nun nicht mehr auf das Balancieren auf den Absätzen konzentrieren muss. Hocherhobenen Hauptes schweift ihr Blick durch die Runde und nimmt die zur Verfügung stehenden Männer (Verhältnis 1:3 = Ein Mann auf drei Frauen) unter die Lupe. Welches männliche Opfer sie genau ins Auge fasst lässt sich nicht ermitteln, weil die Augen verhüllt sind. Nein, keine muslimischen Schleier, sondern überdimensionale Sonnenbrillen, mit sehr dunkel eingefärbten Gläsern. Es lässt sich nur erahnen wohin das weibliche Sperberauge blickt. Wie war das nochmal? Der Mann der Jäger – die Frau die Bewahrerin? Mich dünkt es läuft gerade umgekehrt. Die Herren der Schöpfung sitzen bequem im Clubsessel und genießen das sommerliche Defilée. Man kennt sich oder lernt sich kennen. Wo zarte oder andere Bande bereits bestehen, werden auf dem Weg zum sicheren Sitzplatz wieder die obligaten drei Küsschen ausgetauscht. Armer Mann, wenn der Wind die lange Mähne in die falsche Richtung weht und er, statt die zarte Wange zu küssen, plötzlich lange Haare zwischen seinen Zähnen spürt.

Die Kellner eilen zwischen den Tischen hin und her und jonglieren die Sommerdrinks mit viel Eis oder die Coupes de Champagne in zarten Flutesgläsern herbei. Heute wird statt des überteuerten Edeltropfens aus Frankreich oft die günstigere Variante –italienischer Prosecco – gereicht. Übrigens hält sich hartnäckig das Gerücht, dass es nicht mehr genügend davon gäbe, weil die Nachfrage zu gross sei. Ich habe jedoch die Vermutung, dass die „Prosecco-Mafia“ dieses Gerücht in Umlauf bringt um sukzessive den Preis anzuheben. Da lobe ich mir einen feinen Cava aus Spanien, der ist hierzulande noch weitgehendst unbekannt und eine sehr gute Alternative. Möge es noch lange so bleiben ;-).

Ich sitze also an einem lauen Spätsommerabend inmitten dieser Gesellschaft, allerdings in der Kategorie „Teenager Spätlese“ und amüsiere mich ab dem Gebalze. Nicht dass ich mithalten will, oh nein, aber zuschauen beim Schaulaufen amüsiert mich und wie schon gesagt: Das Schaulaufen geniesse ich immer sehr.

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