Béatrice Stössel, 05.05.2025
Warum dieser Satz mich nicht loslässt
Ich dümple seit Wochen herum und zerbreche mir den
Kopf zum Mai-Thema: «Die Kirschen in Nachbars Garten».
Eigentlich ein Schreibstoff erster Güte, dachte ich, und schob die Aufgabe
immer wieder vor mir her. Das schaff ich mit links, beschwichtigte
ich mein Gewissen, wenn es mich mahnte: Jetzt, fang endlich damit an!
Pikante Gedanken – darf ich das schreiben?
Die Krux liegt darin, dass ich bei diesem Satz sofort
an einen Seitensprung denke. Es schwirrt viel Pikantes durch mein Hirn, und
meiner Fantasie wachsen nicht ganz jugendfreie Flügel. Lust, lustvoll, mehr...
Na, was wohl? Sex!
Dann wiederum reisse ich einen Generalstopp: Um Gottes Willen nein, das kann
ich so nicht zu Papier bringen, noch dazu öffentlich. Weil die meisten Lesenden
denken, dass ein Text, der in Ich-Form geschrieben wird, identisch sei mit
wahrhaftig erlebten Episoden der Autorin. So ein Quatsch! Oder vielleicht doch?
Das ist literarischer Striptease – sowas geht nicht. Ich bilde mir zwar nicht
ein, dass meine Blogs von Tausenden gelesen werden, aber von einigen schon.
Schwupps, lande ich bei: Was sollen die Leute von mir denken?
Ein Seitenhieb auf die Kirche
Diese ewigen alten Muster einer Erziehung, geprägt von
Standesdünkel und katholischen Geboten, bremsen mich aus. Gleichzeitig denke
ich an die Fehltritte in der römisch-katholischen Kirche. Mir wird kotzübel.
Was da schon alles zum Vorschein kam – und immer wieder Neues entdeckt wird –
macht mich stinksauer. Lüsternheit unter der Soutane!
Darüber wurde und wird viel geschrieben – und für meine Begriffe viel zu wenig
dagegen unternommen. Es müssen in Rom spezielle Besen in der Putzkammer lagern,
mit denen sich jeder Skandal immer und immer wieder unter den Teppich kehren
lässt. Das ist nicht wirklich berauschend.
Vielleicht halten sie deshalb so hartnäckig am Zölibat fest, weil sie so
problemlos das sechste Gebot «Du sollst nicht ehebrechen» umgehen
können. Provokanter Gedanke – ich weiss.
Recherche, die keine Früchte trägt
Also ziehe ich die Notbremse und gebe mal den
Satz «Die Kirschen in Nachbars Garten» im Internet ein. Dort
werde ich sicher herausfinden, wem dieser kluge – oder sagen wir mal
vielsagende – Satz überhaupt in den Sinn kam: Goethe – Schiller – Berthold
Brecht – vielleicht Thomas Mann oder Hermann Hesse?
Und was klatscht mir Google & Co. um die Ohren? Es handelt sich um eine
deutsche Filmkomödie von 1935 mit dem gleichnamigen Titel. Die Handlung, wie
ich lese, nicht wirklich berauschend. Das bringt mich auch nicht weiter.
Die Realität der Untreue
So beisse ich in den sauren Apfel und widme mich dem Seitensprung, der Untreue in der Ehe oder einer Beziehung. Geht es dabei immer um Sex? Seien wir ehrlich: In den meisten Fällen ja.
Die wilde Ehe – oder vornehmer ausgedrückt: das Konkubinatsverbot – war eine gesetzliche Vorschrift, die im Kanton Zürich erst 1972 aufgehoben wurde. Die Walliser warteten auf diesen Liberalisierungsschritt sogar bis 1995. Wehe, man wurde dabei erwischt. Die Strafen waren happig – und einmal mehr wurden die Frauen meist härter bestraft als die Männer, die ebenso beteiligt waren. Und zwar nicht nur mit Haft: Es drohte sogar die Todesstrafe. Heute zum Glück nicht mehr. Heute wird mehrheitlich um Hab und Gut und das Fürsorgerecht gestritten. So oder so ist das unschön – es belastet auch emotional.
Warum schauen wir über den Zaun?
Und so frage ich mich: Was ist so reizvoll daran,
unter dem Zaun durchzufressen?
Steht im fremden Gärtchen tatsächlich DER Traummann oder DIE ideale Partnerin?
Würde ER wirklich so viel besser zu mir passen als zur verbissenen Nachbarin?
Bin ich einfach nur eifersüchtig, dass ER nicht mir gehört?
Oder ist es einzig das Spiel der Eroberung, welches reizt?
Was, wenn ich die Schlacht gewinne und ihn tatsächlich bekomme?
Was, wenn er erst in meinen vier Wänden sein wahres Gesicht zeigt – erst dann,
wenn er auf meiner Seite des Gartenzauns steht?
Fallen mir die Schuppen zu spät von den Augen? Vielleicht erst dann, wenn ich
plötzlich am eigenen Leib erfahre, weshalb die Vorgängerin so verbittert war?
Vielleicht lohnt sich der Blick in fremde Gärten
Doch vielleicht lohnt es sich ja, auf fremden Wiesen
zu grasen? Vielleicht erwarten mich in Nachbars Garten tatsächlich die
süssesten Kirschen? Der Reiz des Unbekannten, der neue Flirt – passend zum
Wonnemonat Mai.
Weder die Liebe noch der Sex sind an eine Geburtszahl gebunden. Es kribbelt von
frühreif bis ins hohe Alter, egal ob im eigenen oder fremden Garten.
Ein Gedanke zum Schluss
Der folgende Text zeigt einen weiteren Aspekt zu diesem Thema. Leider ist der Autor oder die Autorin unbekannt, doch es hat etwas für sich:
Ich glaube, Sex ist nicht die
intimste Sache. Ich glaube, Kommunikation ist es.
Wenn ich dir meinen Körper gebe, dann kann ich ihn zurücknehmen.
Aber wenn ich dir meine Gedanken gebe, dann gehst du mit einem Teil von mir.
Du gehst mit dem, was unter meiner Haut ist.
Deshalb plädiere ich für Folgendes:
Lasst uns das Leben und die Liebe in all ihren Facetten geniessen!
Wie Sie den Gartenzaun abstecken – das überlasse ich allerdings Ihnen.
Was denken Sie: Sind die Kirschen in Nachbars Garten
wirklich süsser – oder einfach nur anders?
Schreiben Sie mir gerne Ihre Gedanken dazu.
Liebe Béatrice
Herrlich ehrlich und wunderbar selbstironisch – du jonglierst mit Gedanken, die viele heimlich denken, aber selten aussprechen. Zwischen Gartenzaun, Kirschlust und Kopfkino hast du mich bestens unterhalten. Mehr davon, bitte!
Liebe Grüsse
Hannah
Liebe Bea,
Du hast des Nachbarn Kirschen launig unter die Lupe genommen und damit der einen oder anderen möglicherweise ein saures Kirschlein erspart. Was ja nicht heißt, dass das eine oder andere eventuell doch ganz besonders süß gewesen wäre.....
Danke für den unterhaltsamen Beitrag.
Herrlicher Gedankengang, ich schliesse mich Hannah an.
-CHRIESI HIN ODER HER-
Schieb das Leben nicht auf!
Liebe Hannah
Danke für dein Kompliment. Es freut mich, wenn mein Blog dich amüsierte. Mir hat’s Spass gemacht ihn zu schreiben.
Herzlichst Béatrice
Hallo Francesca
Freut mich, wenn du Hannahs Meinung bist. Wir sollten die schönen Seiten des Lebens geniessen so oft es geht. 😉🙋🏼♀️
Herzlichst Béa