Josefine Barbara Renner

Josefine Barbara Renner, 28.04.2022

Josefine Barbara Renner
Josefine Barbara Renner

Frauenherzen schlagen höher im FSB

Erster Tag „Lehrgang Biografie-Schreibpädagogin“

Vier Uhr aufstehen, losfahren kurz vor knapp und dreimal dem Navi bei der Umleitung nach Stockach auf den Leim gehen. In Konstanz vor der Grenze Wichtiges abtelefonieren so lange es umsonst geht.

Die Schweiz. Hoffentlich leicht hinüber kommen. Vom Navi-Gerät in jedem der unzähligen Kreisel hören, ich möge die zweite Ausfahrt nach rechts nehmen. Links der funkelnde See. Zwischen den Orten knorrige Bäume auf Wiesen. Nach den Kreiseln urige Häuser. Vorsicht mit den Dränglern aus Thurgau und auf Geschwindigkeitstafeln achten.

In Romanshorn liegt der Bahnhof ganz geradeaus.

Auto kurz abstellen, schnell zum Geldautomaten, dann in den COOP Münzen wechseln. Bekanntschaft mit dem Schweizer Parkautomaten machen und die Tagesgebühr einwerfen. Gepäck schultern, im Bahnhof schwere Türen aufdrücken und viele Stockwerke hoch.

Außer Atem Marianne kennenlernen. Sich alles zeigen lassen. Schnell noch ins Bad. Gepäck ins Eck zu dem der anderen.

Der Blick aus dem Fenster zeigt jadeblaue Seepracht.

Erster Tag bei Julia

Guten Morgen. Für mich ist noch ein Platz frei. Gleich vorn und Julia hat schon angefangen. Alle haben Namensschilder. Was schreibe ich? Barbara Josefine… Werde ich dann Barbara genannt? „Jo“, mein Autorinnenkürzel, hätte mir an diesem Ort gefallen. Aber das sind die Initialen von Julia Onken, überrascht es mich. Eilig schreibe ich alle meine Namen untereinander und der erste - bleibt hängen, tja… Kaffeepause

Eine neue Wegbegleiterin füllt auf Wunsch von Julia meine Morgenlücken. Dass da

„das Wort war im Anfang“ und „dass das Wort bei Gott war“. Dass Eichendorffs

„Mondnacht“ rezitiert wurde. Das gibt zu denken an einen schön gewesenen Einstieg. Und die fürsorgliche Geste Julias verheißt mir, dass ich hier mehr als gut aufgehoben bin.

Vorstellungsrunde an Hand unserer Lesebiografien. Die blaue Mappe des FSB navigiert. Ich bekomme eine „Lyrische Notfallapotheke“, die Anleitung wie man sie füllt und das Wissen, wie sinnbringend es sein kann, wichtige Gedichte zu memorieren.


Julia liest und doziert und erzählt Geschichten, auch traurige -, aus denen wir erfahren, wann ihre Notfallapotheke zum Einsatz kam. Es ist schön, wie Julia Gedanken formt. Und wie sie von der Bedeutung des „Benennens“ spricht. Es ist ihre Sprachmelodie, die ich mir einpräge. Denn das Tönen der Wörter hat auch seine Bedeutung. Schreiben, sich mit Worten heilen, nach innen gehen und Wörter sehen, dem Erlebten Resonanzen geben, so kreist es leise immerfort.

Über Mittag

Schnellkurs Schweizerdeutsch. Eis komme ins Mineral und nur Glace werde gegessen. Was nochmal Znüni gsi isch. Und, dass jetzt noch ein Kaffee guet töönt. Nachmittagsbrise.

Ich welke unterzuckert am Tisch. Mein Blutdruck-Hoch im Körper-Tief. Und dann erscheint Julia in der Tür. Sonnendurchflutetes Haar und roter Mund. Mit Gedichten und lebendigen Geschichten steuert sie uns durch den Nachmittag. Volle Kraft voraus. Kapitänin mit Humor. Es ist zum Freuen, dass Julia sich freut und ich freue mich darüber wie sie Gedichte liebt. Um es mit Mascha Kaléko so zu sagen

„…grundlos vergnügt“.

Der Blick aus dem Fenster zeigt Bläue im See und Klarheit bis in den Grund.

Abends

Im Licht plätschern die Wellen an hölzerne Boote. Planken wie golden. Und in meinem Zimmer senkt sich „Dämmerung von oben“ über Dichterinnen und Dichter. Ich versuche, Rilkes „Blaue Hortensie“ auswendig zu lernen. Ich denke darüber nach, warum mir seine „alten blauen Briefpapiere“ mehr Trost sind als es Hesses „Stufen“ sein können. Und während ich einschlafe murmeln letzte Zeilen aus mir heraus: 

wie seltsam doch ein see das land vermessen kann / erst silbern nah am horizont und grau dann / blau im grün das in die tiefe geht

Unvergessen erster Tag im FSB

Lebendig

und zauberhaft mit Worten wie

Rosen für schreibende Frauen JULIA

Josefine Barbara Renner

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