Maya Onken , 25.03.2024
Macht älter werden Freude oder ist es einfach nur der nächste Schritt zum Grab
Ich gebe es zu, wenn ich nach meinem Alter gefragt werde, bin ich stets kurz irritiert.
Denn was in mir alles zu dieser Frage abgeht, braucht einige Sekunden:
Zuerst suche ich mein biologisches Alter. Ich bin jeweils unsicher, ob ich die Zahl von meinem letzten Geburtstag angeben soll oder die vom kommenden. Oder ob es besser ist, den Jahrgang zu nennen, damit das Gegenüber selbst rechnen muss.
Diese Zahl scheint mir jeweils unwirklich hoch und nicht passend zu meiner inneren Gefühlswelten, die andere Ergebnisse aufweisen.
Da ich aufgrund von gutem Eincremen seit meinem zwanzigsten Lebensjahr und meiner eher energiereichen Ausstrahlung einige Jahre wegschummeln könnte, erwäge ich auch noch kurz die Option des Flunkerns. Aber für was?
Es gewinnt immer die faktische Wahrheit. Ich bin zurzeit 55 Jahre alt.
Es ist eine nackte Zahl, die meiner inneren Überprüfung nicht standhält. Denn:
· Energie habe ich ohne Ende. Ich fühle mich jung, dynamisch und abenteuerlustig.
· Mein Körper ist nicht immer dieser Meinung. Er braucht einige Zeit, um sich von einer Tanznacht zu erholen. Das ist neu für mich und aus Vernunftgründen nehme ich diesen Tatbestand in meinen Lebensstil auf und bleibe einen Abend am Wochenende zu Hause.
· Meine Vernetzungsdichte im Hirn von Erkenntnissen, Erlebnissen und Erlerntem fühlt sich älter an. Ich habe das Gefühl, als sässe ich in einem Garten, um mich herum prall gefüllte Früchtekörbe. Ernte aus all den Jahren von Lernen, Dozieren, Lesen und Schreiben, Fühlen, Reden und Reflektieren. Im Hintergrund die ganze Baumallee, wo der nächste Nachschub für die Behälter vor mir nachwächst. Ein wertvoller Reichtum, eine nicht mehr versiegende Ressource.
· Das alles packt die äussere Hülle in einen Zustand ein. Hier noch straff und da schon runzlig. Hier mit einer Delle am Oberschenkel, da am Kinn mit unnötigen weissen und schwarzen Borstenhaaren versehen. Die Haare weiss nachwachsend, die Augen mit vielen kleinen Linien umkreist. Der Lippen in feine Rinnen verlaufend, Oberarme, die beim Winken nachwippen. Auch sie passt nicht zusammen zu all den Innenwelten.
· Und zwischen all diesen Alterszuständen klettert mein Herz herum. Mal wild pochend jugendlich forschend. Dann leise atmend in Altersweisheit. Dann nach Pause verlangend oder nach Futter suchend.
All diese Dissonanzen und Unterschiede, soll ich nun mit einer einzigen Zahl beantworten? Das ist unmöglich. Ich bin 55 Jahre alt. Nein!
Ich bin emotional 40 Jahre alt. Mein inneres Wissen ist mindestens 60. Meine Lust auf Leben erst 30. Die Hülle, die das ganze verpackt, ist seit 55 Jahren auf dieser Welt. Das wäre die präzise Auskunft zur Frage.