Maya Onken, 06.11.2023
Entweder befinde ich in meiner ersten Schlafrunde, sozusagen als warm up fürs Entspannen oder ich bin noch am Tanzen oder stehe im Bad und schminke mich ab. Also die Mitternacht hat keine Chance, mit mir gross ins Gespräch zu kommen. Ich bin noch zu beschäftigt und fahre meinen inneren Computer gerade mal so runter.
Aber dann geht es los. Ein Teil schläft in mir und der andere arbeitet. Ein Bild, ein Schnappschuss nach dem anderen kommt vor die innere Kamerafrau, die genau prüft, ob das Bildmaterial Stoff genug ist für einen guten Traum. Sie verwirft einige Entwürfe, wenn ich nach zwei Stunden das erste Mal aufs Klo muss.
Doch dann, um 2 Uhr morgens geht es weiter.
Die Kamerafrau ist nicht zufrieden. Da fehlt es noch an Spannung und Musik. Die Kamerafrau braucht noch zusätzliches Material. Das findet sie im Bereich des Unbewussten. Hier wird sie fündig, der Vorrat ist variantenreich, farbenfroh, emotional, vielschichtig und hochspannend.
Und dann, um vier Uhr am Morgen, ist es dann soweit. Sie hat den Film fertig. CUT schreit sie und ich wache auf. Da wird mir bewusst: ich bin traurig, dass meine Schwiegermutter wohl sterben wird. Und ich entscheide mich, am nächsten Morgen aufzustehen und sie sofort zu besuchen.
Dann poppt auf einmal die Frage auf, ob der Seminarraum in der kommenden Woche nicht doppelt gebucht ist, und ich beschliesse spontan, den einen Auftrag wieder abzusagen
Um vier Uhr morgens ist es an der Zeit, wo die Nacht ihren blauen, stummen Mantel ablegt und mir die Resultate ihrer intensiven Recherchenarbeit hinlegt:
Aus Träumen in Ängsten bin ich erwacht;
Was singt doch die Lerche so tief in der Nacht!
Der Tag ist gegangen, der Morgen ist fern,
Aufs Kissen hernieder scheinen die Stern'.
Und immer hör ich den Lerchengesang;
O Stimme des Tages, mein Herz ist bang.
Theodor Storm