Monika Marti, 26.04.2022
Man darf mich auch doof finden
Dieser Satz, am 1. Kurstag meiner Ausbildung von dir geäussert, traf mich mitten ins Herz, liebe Julia. Darf man mich auch doof finden, fragte ich mich. Die Antwort war rasch gegeben: Bei weitem nicht! Ich war gehemmt, mich frei zu äussern. Nach einer kritischen Rückmeldung kam mein inneres Gleichgewicht ins Wanken. Vor lauter Angst ausgelacht oder abgelehnt zu werden, blieb ich lieber still. Nicht die andern, sondern ich selbst fand mich doof.
Seit besagtem Tag sind einige Jahre vergangen. Während meinen Ausbildungen am Frauenseminar bin ich mir selbst begegnet. Dank kundiger Anleitung traute ich mich, in die Vergangenheit zu blicken. Erkannte, welche Verletzungen ich in mir beherberge. Nach einer Weile wagte ich, diese zu benennen. Nicht um Schuldige zu suchen, sondern um in Selbstkontakt zu treten. Nach intensiver Auseinandersetzung mit mir und meiner Lebensgeschichte bin ich heute soweit, dass ich mich liebe.
Ich gestehe mir Unvollkommenheit zu, verzeihe mir vermeintliche Unzulänglichkeiten. Ich bin nicht mehr gut oder schlecht. Ich bin. Deshalb darf man mich je länger je mehr auch doof finden. Und ehrlich erlebt: Es ist ein befreiendes Gefühl. Will es mit der inneren Freiheit manchmal doch nicht auf Anhieb klappen, denke ich gern an dich. An deinen Mut, dich zu exponieren. An deine Bereitschaft, angefochten zu werden. Deine Unerschrockenheit ermutigt mich, Julia, mir selber treu zu bleiben. Ich bin sehr dankbar, dass sich unsere Wege gekreuzt haben.
Alles Liebe für dich
Monika Marti