Maya Onken, 21.02.2024
Früher habe ich auf den Tag gefiebert. Am 8. März ist Tag der Frau!! Alle Frauen dieser Welt stehen zusammen, erheben sich, so dass die Weltkugel in ihrem Rhythmus etwas ausser Takt gerät. Sie würdigen gemeinsam ihren Werdegang. Vom geknechteten, unterworfenen, missbrauchten Geschlecht zur aufrechten weiblichen Power. Damals wussten Frauen noch, dass sie in der Schweiz vor 100 Jahren kein Recht auf ein eigenes Bankkonto und einen eigenen Willen hatten. Dass der Mann bestimmen konnte, ob sie zu Haue schuftet oder Geld verdient (das sie selbstverständlich abgibt). Der Mann konnte zum Arbeitsgeber marschieren und ihm sagen: «Das passt mir nicht, dass meine Frau arbeitet. Sie ist zu Hause dann zu müde um zu kochen, putzen, Kinder versorgen und mich ordentlich zu befriedigen. Deshalb kündige ich für sie.» Damals wussten die Frauen in der Schweiz noch, dass sie erst 1971 wählen gehen durften. Erst ab 1988 durfte eine Frau zu Hause fordern, dass der Mann im Haushalt mithelfen müsse, denn das neue Eherecht führte diese Gleichstellung ein. Erst 1996 wurde ein Gleichstellungsgesetz aktiv, in dem die Frauen ein Anrecht auf gleich strukturelle Bedingungen im Erwerbsleben haben. Ausserdem wussten Frauen, dass sie bis zum 7. März in jedem verdammten Jahr gratis arbeiten (Equal Pay Day). Erst ab dem 8. März haben sie gleich viel Geld wie jeder andere Mann in der gleichen Stellung mit dem gleichen Job.
Das heisst, Frauen müssten jedes Jahr am 8. März auf die Barrikade. Sie verdienen nämlich immer noch 20 Prozent weniger als Männer. Sie werden in beruflichen Laufbahnen übersehen, und auch das Einfügen von Quotenfrauen hat es den Frauen nicht vereinfacht, sich im Beruf zu beweisen. Sprich, eine Frau muss mehr auf dem Kasten haben wie ein Mann, um in die gleich gute Position zu kommen wie er, und dafür erhält sie 20% weniger Lohn.
Und was passiert? NICHTS. Der Tag kommt, der Tag geht. Dazwischen einige nostalgische Berichte von «früher» und damit dem klaren Hinweis, die Sache ist gegessen. Frauen fügt euch. Frauen seid zufrieden mit dem, was gerade da ist. Das reicht. 80% genügt. Ihr dürft motzen, wenn ihr sexuell missbraucht werdet (Me too), ihr dürft Männer aus dem Haus werfen (dank Keller-Suter), wenn sie euch Gewalt antun, ihr dürft jede Ausbildung wählen (Pilotin, Maschinenbauingenieurin), aber dann müsst ihr halt selbst schauen, dass ihr den Beruf auch ausüben könnt und genügend Geld dafür verdient. Ihr dürft Kinder haben, sie abtreiben, sie adoptieren, sie alleine grossziehen. Ihr dürft in offenen und geschlossenen Beziehungen leben, niemand verbrennt euch mehr auf dem Scheiterhaufen. Also freut euch!
Viele Frauen sind einfach in einen Dornröschenschlaf gefallen. Die Werbemaschinerie macht vielen weis, dass ihre jetzige Aufgabe nicht ist, mit den restlichen 20 Prozent aufzuräumen, sondern sich die Jugendlichkeit möglichst lange zu erhalten. Deshalb sind Frauen* sehr beschäftigt. Sie lesen nicht mehr die Gesetzesentwürfe und die Zeitungen, sondern die Packungsbeilagen von Collagen Schönheitsprodukten. Sie kämpfen nicht mehr um mehr Geld, sondern um mehr Follower auf Instagramm. Sie kaufen nicht mehr Bücher, sondern Push-up BH’s und die Trendklamotten. Junge Frauen haben zudem keine Ahnung, was ihre Vorgeschichte ist. Sie kennen weder Alice Schwarzer noch all die Frauendilemmas. Sie schauen sich zwar im Kino Filme über die Sklaverei an und bedauern Django, haben aber keinen Schimmer, dass es in Ehen oft genauso zu und herging und geht.
Was du tun kannst?
Gib dich also nicht zufrieden mit dem, was da ist. Sei zwar dankbar für das Erreichte, aber ruh dich nicht aus! Sorg dafür, dass die Sache der Frau nicht stagniert, sondern weitergeht!